ICH BIN Zuhause

Je nachdem wie ich es betone fühlt es sich anders an.

Neulich habe ich mit jemanden über die Bedeutung des Wortes “Zuhause” gesprochen. Was bedeutet dieses Zuhause eigentlich, wenn du keinen festen Wohnsitz mehr hast? Es wird sich für mich neu definieren müssen oder es ist schon ganz natürlich da. Ich bin zuhause. Nicht, ich bin zuhause. Also in irgendeinem Haus. Festinstalliert. Eine Institution. Nein, ICH BIN zuhause. Also, Ich. Andrea.

Das Zuhause als ortsunabhängige Einrichtung. Ich bin der Meinung, dass der Begriff “Zuhause” im Duden erweitert werden sollte. Dort heißt es: “daheim; am häuslichen/heimischen Herd, im Kreis/Schoß der Familie, im trauten Heim, in den eigenen vier Wänden; (landschaftlich umgangssprachlich) bei Muttern / beschlagen; bewandert, erfahren; (bildungssprachlich) versiert; (veraltend) firm” und doch ist es eben viel mehr, zumindest für mich. Genau genommen könnte ich natürlich meine Hülle, als die vier Wände meines Ichs bezeichnen, dann passt es wieder.

Zuhause war bislang tatsächlich an einen Ort gebunden, an den Ort, an dem ich mit meiner Tochter gelebt habe. Aber auch hier haben WIR ein Zuhause gebildet. Und jetzt muss das Zuhause neu definiert werden. Es kann alles sein oder nichts. Doch spüre ich genau in mich hinein, stelle ich fest, dass mein Zuhause eben dort ist, wo ich bin. Wo ich sein kann. So wie wie ich bin. Wo ich Glück verspüre, wo mir das Herz aufgeht, wo mein Herz schlägt.

Es ist ortsunabhängig. Vielleicht aus der Notwendigkeit heraus, das ist gut möglich, dennoch ist dieses Gefühl da. Ich fühle mich hier zuhause, auch wenn ich fremd bin, die Sprache nicht verstehe. Auch, wenn ich allein bin. Aber ich bin. Und das ist das Schöne daran.

Muss es wirklich neu definiert werden oder war es bereits immer so?

Ich BIN Zuhause. Wer mit sich selbst im Reinen ist, zumindest auf dem Weg dorthin, der braucht keinen Ort, um sein Glück davon abhängig zu machen.

Hast du eigentlich im Leben was verpasst?

Oft wurde mir diese Frage gestellt. Und seit dem ich mich entschließ zu Reisen, um so mehr unterstellt.

Hier kommt die ehrliche Antwort: Nein, ich habe nichts verpasst.

Mit 18 wurde ich unerwartet schwanger und habe meine Tochter somit mit 19 bekommen. Ziemlich jung für eine so große Verantwortung. Überlebt haben wir beide es trotzdem. Nun ist es ja im Allgemeinen so, dass man mit 18 gerade mal aus dem “Gröbsten raus” ist und noch gar kein fertiger, erwachsener Mensch. Viel will und soll noch ausprobiert werden. Je nach Veranlagung gefeiert oder gelernt. Am besten Beides. Reisen. Lieben. Lachen. Leben. Verrückt sein. Sich finden. Sich wieder verlieren und wiederfinden, all das machen Menschen in den Zwanzigern. Tja, was soll ich sagen? Das habe ich auch getan.

Ich habe immer das gemacht was ich wollte und wonach mir war, was ich für richtig hielt – in dem Moment. Klar, das alles mit einer großen Verantwortung und nicht ohne das Wohl meines Kindes aus den Augen zu verlieren, denn sie war (und ist) schließlich mein Ein und Alles. Mein Tun und Handeln war darauf ausgerichtet meinem Kind den bestmöglich Lebensweg zu ebnen. Und ja, ich habe dafür auf Dinge verzichtet, also Sachen nicht gemacht, die ich hätte machen wollen oder Dinge getan, auf die ich auch hätte verzichten können. Das ist meiner Meinung nach in jedem Alter so. Mit 20, 30 oder 40. Da ist einfach ein Mensch, der deine ganze Aufmerksamkeit braucht. Ich war nur zu einem gewissen Maße unbedarfter “an die Sache” herangegangen, meinem Alter eben entsprechend.

Aber ich habe nichts vermisst oder verpasst, denn ich hatte das großartige Geschenk einen neuen Erdenbewohner ins Leben zu begleiten. Dennoch bin ich immer schön in den Kanon eingestimmt, die die meisten gesungen haben, um ihre Meinung über mein Leben zu bestätigen. Da bin ich den einfachen Weg gegangen, statt immer wieder zu erklären, dass es reine Einstellungsache ist, ob man etwas vermisst oder verpasst oder eben nicht. Verpasst eine Mittdreißigerin vielleicht einfach die Leichtigkeit und Unbeschwertheit einer Mittzwanzigerin in der Erziehung, wenn sie ein fünfjähriges Kind an der Supermarktkasse schreien hat? Das ist genauso spekulativ, wie zu meinem, ich hätte etwas vermisst oder verpasst. Betrunken auf einer Studentenparty mit irgendwem rumknutschen? Check. Konzertbesuch der aktuellen Lieblingsband? Check. Freunde finden während der Ausbildung? Check. Spannende Abenteuer und Reisen mit Freunden? Check.

Was genau soll es also sein, was ich verpasst habe? Leben ist doch immer genau das, was man daraus macht. Man ist nie Opfer seiner Entscheidungen. Oder Opfer der eigenen Umstände. Du hast immer die Möglichkeit dein Leben aktiv zu gestalten und zu leben, egal ob es der Norm entspricht oder du einen Schlenker machst, der vielleicht von außen etwas kompliziert erscheint.

Zufällig habe ich neulich mit jemanden über dieses Thema gesprochen, wir sind im selben Alter, mit Töchter im selben Alter. Ihr geht es genauso. Und wir finden es wunderbar wie unsere Leben verlaufen sind, dass unsere Kinder nun groß und selbständig sind und wir immer noch jung, um jetzt was? Na klar, alles nachzuholen!

Heute ein schlechtes Gewissen

Warum habe ich eigentlich ein schlechtes Gewissen, wenn ich gefragt werde, bei jemandem den Zaun aufzubauen und mir nur ein Nein dazu einfällt?

Da ist dieser Aufruf, bei Facebook, die ein Bekannter gesehen und mir weitergeleitet hat. Kommst du mit? Da ich unterwegs bin, schaue ich mir das ganze halbherzig an und sage meinem Bekannten, dass ich es mir überlege.

Aber, aus den Augen aus dem Sinn, da bin ich ganz ehrlich und sag es so, wie es ist. Ein paar Tage später kommt die Erinnerung. Und? Hast du es dir überlegt? Da merke ich dann auch: shit, vergessen.

Was ist nur los mit mir? Warum renne ich nicht Freude jauchzend durch die Gegend, weil ich jemandem helfen kann, denn das ist es doch was ich zum Leben brauche, was ich kenne und liebe, was ich neulich für mich festgestellt habe: gebraucht zu werden ist mein Ding. Und jetzt könnte mich jemand brauchen und ich bleibe emotionslos. Warum? Es geht eben nicht um mich, es geht um die Hilfe als solches. Jeder darf. Jeder kann. Warum also ich? Und warum ich eigentlich nicht? Ich mag nicht, das antworte ich dann auch und habe jetzt ein furchtbar schlechtes Gewissen.

Ein schlechtes Gewissen ist eine Währung die wir bezahlen, um unser Handeln zu rechtfertigen. Aber warum muss ich jetzt für etwas was bezahlen? Wäre ich so selbstlos und würde einfach helfen, müsste ich dieses Gewissen nicht aushalten. Wüsste ich von der Aktion nichts, ebenfalls nicht. Anscheinend darf ich mir selbst nicht gestatten nur selbst zu sein, statt selbstlos. Das passt doch nicht zu einem yogischen Lebensstil und wäre doch Karma Yoga par exellence. Oder eben nicht? Würde es nicht den Zweck erfüllen mein Gewissen zu beruhigen? Oder mein Bedürfnis gebraucht zu werden? Dabei sollte doch hinter so etwas eben kein Grund stehen. Dann ist es yogisch.

In meinem Kopf jage ich, wie eine Katze ihrem Schwanz, meinen Gedanken hinterher. Statt einfach ich zu sein und dazu zu stehen. Nein. Diesmal nicht und das muss ich auch gar nicht begründen. Ich möchte helfen, selbst mit anpacken, nicht nur Geld spenden. Aber eben nicht jetzt. Jetzt bin ich dran. Jetzt helfe ich erst einmal mir selbst.

Warum gehst du hin, frage ich und bekomme eine ebenso ehrliche Antwort: Ich brauche Beschäftigung und da ist es doch auch noch sinnvoll. Puh. Denke ich, auch nicht selbstlos. Auch, wenn er letztlich hilft, egal aus welchem Grund. Er packt an. Ich bin stolz und froh und ganz schön egoistisch. Und steh dazu.