Was hat surfen eigentlich mit Selbstvertrauen zu tun?

Die Sonne scheint, das Gemüt gleich mit. Beste Voraussetzungen sich einen schönen Spot zu suchen. Mit gemütlichen Wellen. Nur wo sind sie hin, die Wellen in denen alles was ich bislang gelernt habe immer gut funktioniert? So ist die Natur, richte dich nach ihr.

Erste Zweifel tauchen auf, das Selbstvertrauen sinkt beim Anblick dieser gefühlten Mavericks*. Ganz schön viel Wasser in so einer Welle und wie hoch sie ist. Trotzdem, das Bedürfnis ins Wasser zu gehen ist da. Schließlich bin ich nicht die einzige, es muss also machbar sein. Außerdem sind doch laut App die Bedingungen optimal und es sollte nach ein paar Tagen Pause mein Tag werden.

Pustekuchen. Mit Zweifeln ins Wasser gehen lohnt sich nicht, jedenfalls nicht, wenn du alleine nunterwegs bist und dein Selbstvertrauen ins unterirdische gesunken ist. Solange du einen Surfbuddy an deiner Seite hast ist das irgendwie egal, je nach Level, bekommst du entweder gute Tipps oder ihr könnt zusammen die Waschmaschinen zählen, wer die meisten hat, hat gewonnen 😉

Immerhin bin ich dieses Mal nur auf, statt unter, dem Brett geblieben. Aber es gibt solche Tage, da drückt und schleudert dich eine Welle nach der nächsten zurück und nach unten, du hast keine Chance nach draußen zu paddeln. Und dann möchtest du am liebsten alles hinschmeißend, das Surfen an den Nagel hängen.

Dieses Mal paddele ich erst kraftvoll, dann schnell – nichts, sie läuft unter mir durch… gut so? Wäre sie nicht sowieso zu groß gewesen? Nächste Welle, paddeln, paddeln, paddeln – nichts… ok, ich muss mir einen neue Position suchen, also paddle ich hin und her, hier ist es gut. Und wieder… paddeln… und die Welle rollt unter mir durch. Was ist denn nur los? Habe ich mir doch von Anfang an gedacht, dass ich das nicht kann.

Selbstvertrauen im Keller. Und der ist im Wasser ganz schön nass. Plötzlich tauchen nämlich alle Zweifel meiner kleinen Welt auf, was habe ich mir nur dabei gedacht? Allein im Wasser, allein auf dieser Reise, allein auf dieser Welt. Ungefähr eine Stunde rede ich mir das ein, bis – ja, bis was eigentlich passiert? Irgendetwas stoppt mein Gedankenkarussel. Stopp. So geht das nicht. Und Surfen wirst du so heute auch nicht mehr. Surfen hat was mit Selbstvertrauen zu tun. Du musst schon darauf vertrauen, was du machst und glauben, dass du es schaffst. Spaß soll auch dabei sein. So wäre es richtig. In solchen Momenten fange ich im Wasser an zu singen. Das holt mich aus den negativ Gedanken heraus, holte mich aus allem heraus, was in meinem Kopf los ist. Fokussiert mich auf das was ich eigentlich machen will.

Die Welle. Herzrasen. Paddeln. Aufstehen. Surfen. Da ist sie, die Eine. Die Eine, die nötig ist, um deine Welt wieder in Ordnung zu bringen. Dabei war doch alles in Ordnung, nur da draußen, mitten im Ozean, da war es das für ein paar Stunden nicht.

Selbstvertrauen. Deinem Selbst vertrauen. Dir selbst, mit allem drum und dran, allen Entscheidungen, allen Abzweigungen im Leben. Du, ja du! Genau du triffst im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen. Vielleicht erscheinen sie in einem anderen Licht falsch. Aber in dem Licht, in dem du sie getroffen hast, waren sie richtig.

Beim Surfen ist es vielleicht etwas schwierig am Anfang das richtige Timing zu finden, aber die Entscheidung jetzt zu paddeln, aufzustehen und zu Surfen ist in dem Moment die Richtige, also machbar für dich, vertrau dir, dass du auch jetzt die richtige Entscheidung getroffen hast. Take off für die beste Welle.

Sein Selbstvertrauen auf die Probe zu stellen, ins Wasser zu gehen, auch wenn du lieber sanftere Bedingungen hättest, die Situation zu meistern. Das nennt man wachsen, Vertrauen gewinnen.

*Die Definition von Mavericks bitte bei Wikipedia nachlesen, ich weiß nicht, ob ich an dieser Stelle einfach so verlinken darf. Es handelt sich um einen Surfspot in Nordkalifornien, der aufgrund seiner Beschaffenheit gerne mal 7,5 m (in Worten sieben Komma fünf! Meter) hohe Wellen hervorbringt. Spitzenwerte liegen bei 25m…

Yoga unter freiem Himmel

Es ist schon etwas ganz besonderes Yoga unter freiem Himmel zu praktizieren. Du spürst jeden Windhauch und sich dadurch verändernde Temperaturen auf deiner Haut. Mit Glück atmest du frische, sauerstoffreiche Luft und spürst sofort, wie Prana (Lebensenergie) deinen Körper durchströmt.

Tief einatmen, bis ganz weit unten in den Bauch hinein. Spüre die kühle Luft, halte für einen kurzen Moment und spüre, wie sich die Atemrichtung ändert und angewärmte Luft deinen Körper vollständig verlässt. Spüre, wie dich dein Atem beruhigt und mit neuer Energie versorgt.

Diese Energie fehlt uns heute nur zu oft. Wir hetzen von einem Termin zum anderen und halten uns meist in geschlossenen Räumen auf, wie soll dort Prana entstehen? Dabei ist gerade in stressigen Momenten, in denen wir denken, wir hätten keine Zeit, umso wichtiger inne zu halten. Inne zu halten? Innen zu halten? Einatmen? Halten? Loslassen? Genau das ist möglich, wenn wir uns unserer Atmung bewusst werden. Wir atmen ein. Halten und lassen los, der Atem fließt.

Bildlich stelle ich es mir vor, dass ich die ganze Energie, manchmal in Form von Licht, durch meine Nase in mich einströmen lasse, sie ganz in mich aufnehme und all den Ballast, den ich festhalte ausatmend loslasse.

Yoga hilft den Atem zu lenken, zu steuern, nicht zu letzt, weil wir mitunter außer Atem geraten. Das geht natürlich auch in geschlossenen Räumen, denn wann haben wir schon mal die Gelegenheit draußen zu praktizieren? Schön ist es also vor der eigenen Praxis den Raum ausgiebig zu lüften, bei Pranayama empfiehlt es sich die Fenster offen lassen.

Yoga ist nicht nur Bewegung und Atmung, es ist gleichzeitig Fokussierung auf den Moment, ohne dabei an etwas anderes zu denken, als die bestmögliche Ausführung der Asana für diesen Moment, für diesen Tag, für diesen Körper. Es ist Meditation. Es ist der eine Moment. Das Jetzt. Begleitet von dem was dich umgibt. (So ähnlich fühle ich auch beim Surfen.) Wenn es sich außerhalb geschlossener Räume stattfindet, ist die Intensität umso stärker.

Das ist meine Meinung und ich möchte gerne so oft es geht draußen praktizieren. Für alle, die das aufgrund der Wetterbedingungen nicht können ist es dennoch wichtig einen Moment – vom Auto ins Büro – stehen zu bleiben und einen tiefen Atemzug zu nehmen, die kleine Auszeit, um loszulassen.

Wenn du denkst du hast dich schon verabschiedet…

… du aber tatsächlich noch loslassen musst.

Die letzten Tage, ich kann ja tatsächlich schon von Wochen schreiben, sind vergangen wie im Fluge. Ich war so beschäftigt mit fahren, ankommen, Yoga unterrichten, surfen, umziehen (ja, ich bin tatsächlich aus meinem ursprünglichen Apartment in ein kleines Holzhaus gezogen) wandern, Freunde treffen, Geburtstag feiern, Surfguiding und und und beschäftigt, dass ich doch noch gar nicht richtig angekommen bin.

Heute habe ich einen Tag Pause, Zufall oder perfektes Timing? Es trifft mich jedenfalls wie ein Hammerschlag.

Mein Baby zieht in die Welt und ich muss loslassen, was ich schon hinter mir gewähnt habe. Ich freue mich, dass sie dieses Schritt wagt. Ein anderes Land, eine andere Kultur, eine andere Familie, Arbeit. Ich habe dem Tag entgegengefiebert, an dem sie das Haus verlässt, damit ich anfangen kann mein Leben zu leben. Ich dachte bis vor zwei Jahren, dass ich kein eigenes hätte. Bis mir klar wurde, dass das, was gerade ist, mein Leben ist. Das ich nicht warten muss, bevor ich anfangen kann, dass es genau jetzt passiert und ich mitten drin stecke – im Leben, genau in dem, das ich mir ausgesucht habe. Manchmal ist man halt einfach etwas bekloppt 😉

Gut, heute nun heißt es loslassen. Loslassen, darin sollte ich doch nun wirklich Profi geworden sein. Aber das eigene Kind loszulassen, damit es sich entwickeln und entfalten kann ist neu! 22 Jahre habe ich mich gekümmert, gesorgt, organisiert, Verantwortung getragen, gestritten und gelacht. Und nun soll das vorbei sein? Natürlich ist es nicht vorbei, es wird nun anders sein. Räumlich sind wir ja schon eine Zeit getrennt, nur fühlte sich diese Trennung nicht endgültig an. Irgendwie fühlte ich mich bis gerade noch wie im Urlaub. Aber ich bin ja unterwegs. Auch weg. Warum mir nun der Tag ihrer Abreise aus Deutschland verdeutlicht was eigentlich los ist, ist natürlich kein Zufall. Jetzt ist die Entscheidung, zu reisen, getrennte Wege zu gehen endgültig. Kein zurück. Kein Urlaub. Ich stecke – verrückterweise – schon wieder da wo ich hin wollte und immer war: mitten im Leben!

Also tief durchatmen, alles beruhigt sich dann von selbst und den Dingen Zeit geben, dann läuft es schon mit dem loslassen.

Für meine geistige Klarheit rezitiere ich heute das Gayatri Mantra


Om Bhur Bhuvah Svah Tat Savitur Varenyam Bhargo Devasya Dhimahi Dhiyo Yo Nah Prachoday
at

भूर् भुवः स्वः तत् सवितुर् वरेण्यम् भर्गो देवस्य धीमहि धियो यो नः प्रचोदयात्

An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass ich die Phrase “loslassen” benutze, weil die allgemein geläufig ist. Ich aber zu keiner Zeit mein Kind “festhalten” wollte. (Außer fest im Arm zum Abschied) schließlich ist sie schon immer ein eigenständiger Mensch gewesen, den ich in die Welt bringen und begleiten durfte, darf und werde. ❤️